18. Januar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Gisle Kverndokk

Gisle Kverndokk
Gisle Kverndokk
Sein Name ist hierzulande durch die Einweihung des Opernhauses in Oslo (2010) und Aufführungen bei den DomStufen-Festspielen in Erfurt (2008) bekannt geworden. Eher mit ernsten Musicals als großen Opern präsent, stellt dieses Album nun sinfonisches Repertoire von Gisle Kverndokk (*1967) vor – ei-nem Komponisten, der bisher kaum im Konzertsaal präsent wurde. Die Diskre-panz lässt sich freilich an dieser norwegischen Produktion leicht nachvollziehen. Wer große zeitgenössische Sinfonik erwartet, wird enttäuscht. Wer ein sattes Potpourri aus griffigen Melodien erwartet hatm ebenso. Die Musik von Gisle Kverndokk ist nicht leicht zu greifen. Ihr fehlt das Populäre für den großen Durchbruch, ihr fehlt aber auch die zwingende innere musikalische Entwicklung, die ein Werk erst groß werden lässt.

Dies gilt insbesondere für die Suite aus Around the World in 80 Days mit ihren teils exotischen, letztlich aber nur alte Topoi neu belebenden Linien (für eine Einweihung womöglich reizvoll, kompositorisch aber nur wenig sich selbst entwickelnd und damit kaum ertragreich). Warum dann dieser Aufnahme? Und warum so eng aufgenommen, dass sich die Klänge nicht in ihrer ganzen Breite und Fülle entfalten können? Das Trondheim Symphony Orchestra, das bereits für verschiedene Labels einspielt, geht jedenfalls souverän an die Sache heran und zeigt sich als gut disponiert. Dass dennoch der innere Druck fehlt, mag an der Musik selbst liegen, die stilistisch nicht ganz eindeutig ist. Dies gilt für die Reise um die Welt in 80 Tagen ebenso wie für die neuere Partitur A Desperate Light (2021), die kaum Ecken und Kanten ausweist. Mir erscheint das alles ein wenig zu gefällig, zumindest aber auf bestimmte Aufführungssituationen hin kalkuliert – auch wenn sich Edvard Munchs Rue Lafayette (1891) neben zwei anderen Gemälden zur Inspirationsquelle für die drei «Bilder» (2013/21) wurde.. Enttäuschend.

Gisle Kverndokk. Three Pictures (2013/21); Sinfonische Suite aus «Around the World in 80 Days» (2010); A Desperate Light (2021)
Cam Kjøll (Violine), Ruth Potter (Harfe), Trondheim Symphony Orchestra, Peter Szilvay, Aage Richard Meyer

Lawo LWC 1359 (2023)

HörBar<< Xilin Wang

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 4 von 4 in Michael Kubes HörBar #143 – zeitgenössische Sinfonik

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.