15. Januar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Dani Howard

Dani Howard
Dani Howard
Hat die Sinfonie im 21. Jahrhundert überhaupt noch eine Zukunft – oder hat sich das Repertoire selbst diminuiert? Jedenfalls kann man den Eindruck gewinnen, dass nur noch kürzere Werke als «Opener» aufgeführt und damit auch komponiert werden. Welches städtische Orchester möchte schon die zweite Hälfte eines seiner Sinfoniekonzerte einem neuen oder auch älteren unbequemen Werk opfern, wenn man das Publikum auch bequem mit Beethoven, Schumann, Brahms oder Tschaikowsky (selbst Sinfonien von Schostakowitsch gehören dazu) bedienen kann? Es sind also pragmatische Erwägungen, die das Repertoire einzuschränken schienen und einen seit langem zu beobachtenden Trend förderten: die Beschränkung auf Werke mit poetischen Titeln und einer überschaubaren motivisch-thematischen Entwicklung. War also Allan Pettersson (und nur wenige andere Namen ließen sich nennen) der «letzte» wirkliche Sinfoniker?

Der Gedanke drängt sich auf, wenn man dieses Album mit Werken von Dani Howard (*1993) hört. Es sind Kompositionen, die in sich schlüssige Klangbilder entwickeln, die aber letztlich auch austauschbar bleiben. So fesseln sie die Aufmerksamkeit beim Hören nicht, sondern lassen reichlich Raum, sich gedanklich zu entfernen. Stilistisch (und damit auch kompositionstechnisch) orientieren sich die Partituren stark am Œuvre von John Adams – Coalescence (2019) geht einem jedenfalls die Harmonielehre (1985) nicht aus dem Ohr. Was aber tun mit solchen Werken, die nur überschaubare Entwicklungen bieten und letztlich nie aus der Position der Beiläufigkeit herauskommen? Das Posaunenkonzert von Dani Howard soll inzwischen zu einem Geheimtipp unter Instrumentalisten avanciert sein – es ist überaus dankbar im Solopart und lässt Raum für eigene Gestaltung, aber die Auswahl an Werken ist bekanntlich auch nicht besonders groß.

Dani Howard. Orchestral Works
Argentum (2017); Konzert für Posaune und Orchester (2021): Ellipsis (2021); Coalescence (2019); Arches (2016)
Peter Moore (Posaune), Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Michael Seal, Pablo Urbina

Rubicon RCD 1125 (2022)

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 1 in Michael Kubes HörBar #143 – zeitgenössische Sinfonik

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