In Sachen «Busoni» ist Victor Nicoara kein unbekannter. Bereits vor 2021 erschien ein vorzügliches Album des aus Rumänien stammenden Pianisten – mit den insgesamt sechs Sonatinen (der Name täuscht über den wahren Anspruch auf allen Ebenen hinweg). Diesmal träumt sich Nicoara musikalisch ins Land der Polyphonie – mit der epischen Fantasia contrappuntistica BV 256 (1910–1922), aber auch mit so interessanten Nummern wie den Sieben kurzen Stücken zur Pflege des polyphonen Spiels (1923) BV 296, in denen Busoni einige Linien der Vergangenheit aufgreift, neu und anspruchsvoll interpretiert – oder eben auch neu komponiert.
Victor Nicoara nähert sich diesen Werken sowohl in der Struktur als auch im Ausdruck – und dies mit einer verblüffenden technischen Leichtigkeit, die immer nach vorne drängt, keine Grenzen zu kennen scheint und frei gestaltet. Das gilt besonders für die Fantasia, bei der ich mir allerdings den Flügel akustisch präsenter gewünscht hätte, vor allem wegen der dynamischen und agogischen Differenzierungen, die Nicoara vornimmt. Es gibt aber auch drei Fragezeichen: Sie betreffen die (neu) komponierten kurzen Stücke von Benedict Mason (*1954) und Larry Sitsky (*1934) sowie von Nicoara selbst, die für meinen Geschmack weder passen noch eine zwingende Erweiterung oder Weiterentwicklung darstellen; die Komponisten werden im Booklet ohne Geburtsdatum genannt.
Polyphonic Dreams
Ferruccio Busoni. Sieben kurze Stücke zur Pflege des polyphonen Spiels (1923) BV 296; Ferruccio Busoni. Intermezzo aus Doktor Faust (1917); Benedict Mason. Pastorale. Ein kurzes Stück zur Pflege der Arten (2023); Victor Nicoara. Nach Weill (2023); Larry Sitsky. Nocturne Canonique (1974); Fantasia contrappuntistica BV 256 (1910–1922) (Arr. Victor Nicoara 2023); Johann Sebastian Bach. Sinfonia f-Moll BWV 759 (Arr. Ferruccio Busoni)
Victor Nicoara (Klavier)
hänssler classic HC 23046 (2023)
- Klavierwerke / Wolf Harden
- Violinkonzert / Francesca Dego
- Klavierwerke / Peter Donohoe
- Klavierwerke / Victor Nicoara