Wer in Faurés Œuvre nach größeren Besetzungen sucht, wird kaum fündig. Das ist zu bedauern – doch ist er weder der erste noch der letzte Komponist der europäischen Musikgeschichte, bei dem es zu einer derartigen Leerstelle kam. Auch davon erzählt dieses Album, das mit großen Namen aufwartet, um dem Meister zu huldigen. Doch ein genauerer Blick lohnt: Das Violinkonzert (1878/79), dessen erster Satz hier eingespielt wurde, blieb unvollendet: das Finale kam erst gar nicht zu Papier, der zweite Satz ist verschollen – geblieben ist ein etwas unspezifischer Kopfsatz, der auch als Konzertstück durchgehen könnte. Es folgen zwei Suiten, Masques et Bergamasques op. 112 sowie Pelléas et Mélisande op. 80 mit jeweils vier überschaubaren Sätzen als Charakterstücken. Schließlich stehen auch die vier wohl bekanntesten Werke auf dem Programm: Élégie op. 24, Ballade op. 19, Pavane op. 50 und Berceuse op. 16 – im Zweifel in einer orchestrierten Fassung.
Eigentlich könnte man an einem solch nahe liegenden Programm nichts auszusetzen haben. Und in der Tat überzeugen die Einspielungen zunächst einmal in technischer Hinsicht: Renaud Capuçon gibt dem Konzert-Allegro Form und Gestalt. Bei seinen weiteren Dirigaten scheint er das Orchestre de Chambre de Lausanne auf einen guten Weg zu führen: Ein wenig Leichtigkeit und Lyrik schwingen mit, auch wenn mir hie und da die Tempi nicht passen – sie scheinen einer Mode der Zeit folgend irgendwie zu schnell, wo der musikalische Satz doch gleichmäßig atmen sollte. Am Ende wird alles gut, aber es passt nicht zu den Hörgewohnheiten. Man braucht nur (ohne das Label zu wechseln) knapp 40 Jahre zurückzugehen und eine CD mit Seiji Ozawa und dem Boston Symphony Orchestra in die Hand zu nehmen, um eine Ahnung davon zu bekommen. Damals charakterisierten geheimnisvolle Lichteinfälle auf dem Cover die Musik – heute ist es ein Künstlerporträt mit Geige. Auch solche Bilder sprechen, wenn man sie sehend hört.
Gabriel Fauré. Allegro, aus: Violinkonzert d-Moll op. 14; Masques et Bergamasques op. 112; Élégie op. 24 (Arr. für Violoncello und Orchester); Pelléas et Mélisande (Suite) op. 80; Ballade op. 19 (Arr. für Klavier und Orchester); Pavane op. 50; Berceuse op. 16 (Arr. für Violine und Orchester)
Renaud Capuçon (Violine), Julia Hagen (Violoncello), Guillaume Bellom (Klavier), Orchestre de Chambre de Lausanne
Deutsche Grammophon 486 6250 (2023)