24. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Fauré / Renaud Capuçon

Fauré / Renaud Capuçon
Fauré / Renaud Capuçon
Wer in Faurés Œuvre nach größeren Besetzungen sucht, wird kaum finden. Das ist zu bedauern – doch ist er weder der erste noch der letzte Komponist der europäischen Musikgeschichte, bei dem es zu einer derartigen Leerstelle kam. Auch davon erzählt dieses Album, das mit großen Namen aufwartet, um dem Meister zu huldigen. Doch die genauerer Blick lohnt: Das Violinkonzert (1878/79), dessen erster Satz hier eingespielt wurde, blieb vollendet: das Finale kam erst gar nicht zu Papier, der zweite Satz ist verschollen – geblieben ist ein etwas unspezifischer Kopfsatz, der auch als Konzertstück durchgehen könnte. Es folgen zwei Suiten, Masques et Bergamasques op. 112 sowie Pelléas et Mélisande op. 80 mit jeweils vier überschaubaren Sätzen als Charakterstücken. Schließlich stehen auch die vier wohl bekanntesten Werke auf dem Programm: Élégie op. 24, Ballade op. 19, Pavane op. 50 und Bercerse op. 16 – im Zweifel in einer orchestrierte Fassung.

Eigentlich könnte man bei einem solch nahe liegenden Programm nichts auszusetzen haben. Und in der Tat überzeugen die Einspielungen zunächst einmal in technischer Hinsicht: Renaud Capuçon gibt dem Konzert-Allegro Form und Gestalt, bei seinen weiteren Dirigaten scheint der das Orchestre de Chambre de Lausanne auf einen guten Weg zu führen: ein wenig Leichtigkeit und lyrische Textur schwingen mit, auch wenn mit hie und da die Tempi nicht passen – sie sind einer Mode der Zeit folgend, irgendwie zu schnell, wo der musikalische Satz doch gleichmäßig atmen sollte. Am Ende scheint alles gut zu sein, aber es passt nicht zu den Hörgewohnheit. Man muss das Label nicht wechseln, sondern nur knapp 40 Jahre zurückgehen und eine CD mit Seiji Ozawa und dem Boston Symphony Orchestra in die Hand nehmen, um eine Ahnung davon zu bekommen. D Damals waren es geheimnisvolle Lichteinfälle, die die Musik auf dem Cover charakterisierten – heute ist es ein Künstlerporträt mit Geige. Auch solche Bilder sprechen, wenn man sie sehend hört.

Gabriel Fauré. Allegro, aus: Violinkonzert d-Moll op. 14; Masques et Bergamasques op. 112; Élégie op. 24 (Arr. für Violoncello und Orchester); Pelléas et Mélisande (Suite) op. 80; Ballade op. 19 (Arr. für Klavier und Orchester); Pavane op. 50; Berceuse op. 16 (Arr. für Violine und Orchester)
Renaud Capuçon (Violine), Julia Hagen (Violoncello), Guillaume Bellom (Klavier), Orchestre de Chambre de Lausanne
Deutsche Grammophon 486 6250 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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