Obwohl der Ludus tonalis zu den großen Klavierzyklen des 20. Jahrhunderts zählt, begegnet man ihm doch nur selten – selten auf einem Album und fast nie im Konzertsaal. Dabei haben die insgesamt zwölf Satzpaare (Präludium bzw. Interludium und Fuge) auch große Interpreten angezogen zu einer Zeit der bestimmenden Avantgarde, in der es schwierig war, mit Musik von Paul Hindemith überhaupt gehört zu werden: Glenn Gould hat sich leider nur der Klaviersonaten angenommen, aber ein französischer Live-Mitschnitt aus dem Jahre 1985 mit Swjatoslaw Richter ist für mich schlichtweg legendär (Pyramid): technisch alles andere als perfekt gespielt, aber mit Ausdruck und einem Feuer der Überzeugung, bei dem der Zyklus wie aus dem Moment geboren erscheint.
Demgegenüber steht die Einspielung von Agnieszka Panasiuk ein wenig in der älteren Aufführungstradition. Sie wirkt trotz rhythmischer Akzentuierungen eher akademisch, zelebriert den Tonsatz, kommt allerdings aus einer objektivierten Nüchternheit nicht recht heraus. Selbst wo es spielerischer wird (etwa in dem Marsch-Interludium Nr. 13) entwickelt sich die Melodie nicht ganz frei, die von Hindemith kunstvoll angelegten Fugen bleiben im ganzen etwas statisch. Nun macht es Hindemith seinen Interpreten auch nicht leicht – und doch handelt es sich bei den Sätzen um weit mehr als nur um ein architektonisches Gerüst. Die trockene Akustik sorgt zwar für Klarheit, dem Flügel fehlt es allerdings an Glanz. Das bedeutungsschwangere Cover bleibt mir ein Rätsel (es wird unlogisch variiert auf der Frontseite des Booklets wieder aufgegriffen).
Paul Hindemith. Ludus tonalis (1942)
Agnieszka Panasiuk (Klavier)
DUX 1904 (2022)