21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Yaara Tal / 1923

Yaara Tal / 1923
Yaara Tal / 1923
Auch auf diesem Album ist kein «Tanz-Jazz» zu finden und zu hören. Vielmehr hat Yaara Tal bei ihrer Auswahl der Stücke auf eine möglichst internationale und umfangreiche Breite des Repertoires und der Stile gesetzt. Was vorgestellt wird, sind mit jedem Stück und jedem Werk Optionen einer sich neu formierenden Musikgeschichte. Nicht alles wurde dabei richtungweisend, nicht alles Wegweisende bewährt sich in diesem Kontext gleichermaßen. Vor allem der gelungene Blick nach Paris mit Kompositionen von Mompou, Tansman, Jaques-Dalcroze versetzt einen in eine ganz andere Atmosphäre: elegant, leicht tänzerisch, keinesfalls aufrührerisch.

Eher technisch inspiriert sind dagegen die hier vereinten Stücke von Josef Matthias Hauer (aus op. 35) und Arnold Schönberg (aus op. 23), anderes entstand aus der schöpferischen Auseinandersetzung mit jüdischer Musik (bei Achron und Bloch). Neben einigen Stücken von Delius und Janáček sind es aber zwei Kompositionen, die in diesem Zusammenhang wirklich auffallen: die eigenwillige und einen neuen Weg aufzeichnende zweite Sonate für Klavier op. 6 von Hanns Eisler (von 1924/25 – das sei allerdings geschenkt) sowie eine «extonale Selbstsatire» mit dem Titel Die Maschine op. 1 (1921, nur die eingespielte vierhändige Fassung stammt aus dem Jahr 1923). Komponiert wurde die Nummer von einem gewissen «Heautontimorumenus», hinter dem sich Fritz Heinrich Klein (1892–1977) verbirgt. Eine Partitur von höchster Originalität wie auch in der Anwendung von Ostinati und Mixturen. – Interpretiert ist das alles mit einem tiefen musikalischen Verständnis, das nichts überzeichnet, und mit bewundernswerter Eleganz. Bei Yaara Tal sind diese Erträge aus dem Jahr 1923 sprichwörtlich in besten Händen.

1923
Frederick Delius. Three Preludes; Joseph Achron. Two Pieces op. 56; Ernest Bloch. Nirvana; Josef Matthias Hauer. Acht Stücke aus: Klavierstücke op. 25; Arnold Schönberg: Walzer aus: Fünf Klavierstücke op. 23; Hanns Eisler. Klaviersonate Nr. 2 op. 6. Heautontimorumenus (Fritz Heinrich Klein): Die Maschine op. 1; Leoš Janáček. Malostransky palás; Melodie; Jen slepy osud?; Federico Mompou. Dialogues; Alexandre Tansman. Quartre danses miniatures; Émile Jaques-Dalcroze. 3 Entrées dansantes
Yaara Tal (Klavier), Andreas Groethuysen (Klavier)

Sony 19658803802 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #104 – 1923