Obwohl zwei der hier eingespielten Werke 1925 entstanden und eine weitere Sonate aus dem Jahre 1949 datiert, erzählen sie doch von der bedrückendsten Zeit des 20. Jahrhunderts – von Verfolgung, Exil und in allen Fällen vom Vergessen. Auch wenn die Biographien von Karol Rathaus (1895–1954), Heinz Tiessen (1887–1971) und Paul Arma (1905–1987) nicht vergleichbar sind, so schlagen die hier eingespielten Werke doch einen grundsätzlich ähnlichen Tonfall an, den man (cum grano salis) als expressionistisch bezeichnen könnte – am ehesten bei Tiessen, doch auch die Komposition von Arma scheint mit dieser Etikettierung gut abgedeckt. Vor allem machen Judith Ingolfsson (Violine) und Vladimir Stoupel (Klavier) mit diesem Album wieder einmal deutlich, dass im Repertoire noch immer ganz eigenwillige Schätze zu heben sind, die sich am Ende dann erfreulicherweise auch jeder Schubladisierung entziehen.
Tatsächlich fehlen mir die Worte, um den ganz charakteristischen Stil von Karol Rathaus zu beschrieben – ein Stil, der farblich in vernebeltes Dunkel führt, melancholische Anteile hat, dabei aber seltsam changiert zwischen Innerlichkeit, Ausdruck und Abstraktion. Mir kommen beim Hören im Charakter vergleichbare Werke anderer Komponisten in den Sinn, so dass es wohl eine Linie in den so wirren, so unendlich vielfältigen 1920er Jahren geben muss. Eindeutiger formulierte Heinz Tiessen, doch auch hier scheint die E-Saite der Violine eher zwiespältige Verwendung zu finden (oftmals verhindert der harmonische Kontext ein Strahlen). Neben der Sonate von Tiessen stellt sich auch die Ersteinspielung der Sonate von Paul Arma als kleine Sensation heraus, deren Wert sich erst in der Rückschau auf die 1920er Jahre ermisst; alle früheren Werke des Komponisten wurden Opfer der politischen und zeitgeschichtlichen Umstände. Umso mehr zählt das, was zu hören ist. Ein unbequemes und doch an Eindrücken überaus aufregendes Album.
Karol Rathaus. Sonate für Violine und Klavier op. 14 (1925); Heinz Tiessen. Duo-Sonate op. 35 (1925); Paul Arma. Sonate für Violine und Klavier op. 138 (1949)
Judith Ingolfsson (Violine), Vladimir Stoupel (Klavier)
Oehms Classics OC 491 (2020)