3. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Haydn News / Nuovo Aspetto

Haydn News / Nuovo Aspetto
Haydn News / Nuovo Aspetto
Selten ist mir in letzter Zeit ein so originelles und noch dazu inhaltlich gut aufgearbeitetes Booklet begegnet. Nun könnte man meinen, Haydn News würden sich leicht und bequem an die Frau oder den Mann bringen lassen. Doch das ist ein voreiliger Kurzschluss: Noch immer wird diesem Großmeister viel zu wenig Beachtung geschenkt – auch weil er viel zu selten mit der ganzen Breite seiner Musik präsent ist (wann haben Sie zuletzt etwa eine seiner mittleren Sinfonien live gehört?). Genauso voreilig ist aber auch der Gedanke, die hier eingespielten Bearbeitungen (bis auf eine Ausnahme alles «World Premiere Recordings») müssten hübsch beworben werden, um unter die Leute zu kommen, zumal Michael Dücker und sein Ensemble «Nuovo Aspetto» mit einer aparten Besetzung aufwarten: Streicher, Flöte, Laute, Harfe, Hackbrett. Die gespielten Bearbeitungen aber, darunter eine der Sinfonie C-Dur Hob. I:60 und eines Concertinos G-Dur Hob II:1 sind nicht einer neuzeitlichen Arbeitsbeschaffung entsprungen, sondern wurden von Haydns Zeitgenossen angefertigt – und das ist sicher: mit einem Höchstmaß an Geschmack und kammermusikalischer Raffinesse.

Wüsste man es nicht besser, so würde das Concertino in der hier zu hörenden Fassung mit obligater Laute, Flöte und Streichtrio als «original» durchgehen, so vielfältig und abwechslungsreich wurden die vier Sätze neu gefasst – und zwar nicht nur das in Variationsform angelegte Finale (von dieser Bearbeitung hat lediglich die in Tabulatur notierte Lautenstimme die Jahrhunderte überdauert). Auch die von Meingosius Gaelle (einem Benediktinerpater) im Jahre 1809 angefertigte Be¬arbeitung der Sinfonie macht einen verblüffend authentischen Eindruck – obwohl hier nun neben dem Streichtrio eine Harfe gefordert und an manchen Stellen zur Erweiterung des Spektrums ein Salterio (Hackbrett) von Seiten des Ensembles hinzugefügt wurde. Laute, Harfe und Salterio aber waren noch am Ausgang des 18. Jahrhundert auch beim Adel beliebte und virtuos beherrschte Instrumente, die Harfe wurde bei Vokalmusik gar vielfach als Alternative zum Clavier gesehen. Insofern ist es dramaturgisch vollkommen schlüssig, dem Album drei Lieder beizugeben: eine alte Bearbeitung sowie zwei Nummern aus den Welsh Airs – immer wieder großartige Stücke. Die letzten Verse könnten nicht besser passen: «Draw closer, friends, the table round, / And cheerly greet the rising sound, / Love, arms, and ale, and rousing fire / And thrilling harp my soul inspire.»

Haydn News.
Joseph Haydn. Je ne vous dirais point (aus der Sinfonie Nr. 53 d-Moll Hob. I:53, arr. für Sopran und Harfe; Sinfonie Nr. 60 C-Dur Hob. I:60 «Le Distrait» (arr. für Harfe, Dulcimer und Streichtrio); The Despairing Bard Hob. XXXIb:19 für Sopran, Dulcimer, Harfe; Concertino G-Dur Hob. II:1 für Laute, Flöte, Streichtrio; The Inspired Bard Hob. XXXIb:25

Hannah Morrison (Sopran), Nuovo Aspetto, Michael Dücker
Prospero PROSP 0017 (2017)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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