21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Eres Holz – Touching Universes

«MACH – so steht es in der Partitur des Orgelstücks – sei ‹eine Art Einladung, das zu machen, was nicht trivial ist›», schreibt Ingo Dorfmüller in seinen Line-Notes zu dieser Portrait-Doppel-CD des Komponisten Eres Holz, die bei NEOS kürzlich veröffentlicht worden ist. Vier mal MACH auf CD 1 mit Stücken für Orgel, Akkordeon, Harfe und Violoncello.

Eres Holz – Touching Universes
Eres Holz – Touching Universes

Eine «Art Einladung, das zu machen, was nicht trivial ist»: Das ist so höflich gesagt, wie es auch gemeint ist. Es zeugt zugleich vom Bekenntnis, der Trivialität Grenzen zu setzen. Sowohl interpretatorisch wie kompositorisch. Aber nicht, weil es eben verlangt sei, sondern weil man dazu als Interpret:in über die Mittel verfüge. Allen Stücke fordern den Interpret:innen einen hohen Grad an Virtuosität ab. Das spürt man. Ebenso ist kein Anflug von «Spaß-Kultur» in diesen Stücken. Aber auch keine versumpfte Verbissenheit, die einen an- oder abnerven könnte. Die Werke wollen niemanden etwas beweisen, sondern sich erweisen.

Das Espressivo der meisten Kompositionen ist gleichwohl extrem, insbesondere im Streichquartett «Dunkle Risse», das die zweite der CDs eröffnet. Der Titel verheißt für mein Gefühl nichts Gutes. Auch im bröckligen vierten Teil, der wie eine ätherische Verzweiflungstat klingt und auf den kratzbürstigen dritten Part folgt, hat man eher nicht das Gefühl, dass es ins Freie gehe. Eine schon sehr quälende Erfahrung geben diese Stücke preis. Sie machen einen ganz schön fertig. Aber so ist es mit dieser großen musikalischen Kunst. Diese kämpft geradezu um jede Schwingung, die heraustritt. Doch mal die Denkendenpose beiseite: Ist der erste Satz nicht irgendwie eine Art Wiegenlied, verkapselt unter der Oberfläche, wie abgedeckt?

Ohne jetzt in die Tiefen der Kompositionsweise(n) von Eres Holz eindringen zu wollen – das könnte ich gar nicht ohne ausgiebiges Studium der Partituren, und mit fremden zitierten Federn der sehr instruktiven Texte im Booklet dazu sollte man nicht auftrumpfen, wenn ich es denn sowieso nicht nachprüfen kann –, erscheinen mir diese Werke als kleine Kompositionskugeln drastischer Klangsprache. Sie wirken auf mich wie eine Musik, die gefangen scheint, auf der Stelle tritt und dabei fast schon mit aller Gewalt aus sich heraustreten möchte. Die Seile, die diese Musik (fest)halten sind qualvoll, weil sie auf der einen Seite genug musikalische Bewegung zulassen, aber doch diese nicht freigeben.

Fast schon redend «Eine Frau» mit seinem anfänglichen Puls als Haltepunkten. Die Besetzung ist denkbar klangfaszinierend mit Stimme, Blockflöte, Kontrabass, Weinglas & Elektronik. Eres Holz‘ Musik erlangt hier eine fast groteske Farbigkeit und wird geradezu großzügig verschwenderisch in ihrem Klangreichtum. Für mich ist es das faszinierendste Stück auf den zwei CDs, das großzügig ist mit seiner Musik, doch auch unnachgiebig mit seinem Anspruch an die Interpret:innen wie die Hörer:innen. Und nicht wehleidig, doch schmerzensvoll. Eher schwarze Poesie, aber nicht nur.

Ans Herz gelegt sein mögen da die letzten Sekunden aus Mach für für Akkordeon Solo und Live-Elektronik. Zum Ende der letzten Minute Spielzeit übenimmt Eres Holz an der Live Electronic die Regie und die Klangwelt des Akkordeons, das in diesem Stück ein eigenes Universum gebaut bekommt. Doch ganz zum Schluss verglimmt da ein Klang des Akkordeons: Leise, hoch, metatönig, crescendierend. Auch das ein «Universum» für sich.

Man darf den Titel der Portrait-CDs «Touching Universes» einfach sehr streng nehmen. Jedes Stück für sich ein Universum, jede Bewegung in den Werken ein Universum für sich, jede Schwingung ebenso. Sich berührend? Berührend.


Eres Holz – Touching Universes [2022]

CD 1 – Gesamtspielzeit   82:10

  • MACH (2017) für Orgel Solo 23:53 /
  • MACH (2021) für Harfe Solo und Live-Elektronik 22:04
  • MACH (2020) für Violoncello Solo und Live-Elektronik 18:54
  • MACH (2020) für Akkordeon Solo und Live-Elektronik 17:03

Interpret:innen

  • Dominik Susteck, Orgel
  • Anna Viechtl, Harfe
  • Eres Holz, Elektronik
  • Zoé Cartier, Violoncello
  • Silke Lange, Akkordeon

CD 2 – Gesamtspielzeit   74:21

  • Dunkle Risse (2018) für Streichquartett 25:48
  • Die Frau (2020) für Sopran, Blockflöte(n), Kontrabass und Live-Elektronik 16:13
  • Schakalkopf (2016) für Flöte, Klarinette, Violine, Viola und Violoncello 14:01
  • Touching Universes and Ends (2019) für Septett und Live-Elektronik 18:05

Interpret:innen

  • Asasello-Quartett
  • Claudia van Hasselt, Mezzosopran
  • Susanne Fröhlich, Blockflöten
  • Meinrad Kneer, Kontrabass
  • Eres Holz, Weinglas & Elektronik
  • Ensemble Aventure
  • Nicholas Reed, Dirigent

NEOS 12207-08

 

 

 

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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