Bei manchen Platten ist man ob des Titels interessiert. „musical matrix“ mit Streichenden und einem Schlagzeuger als Urheber, das könnte was sein. Es empfiehlt sich, nicht ungerecht zu sein, aber doch ein wenig ehrlich. Die 10 Tracks orientieren sich in ihren Titeln an alten Tanzformen, die im Barock ganz verbreitet waren wie Menuett, Sarabande, Courante etc. Im Beipackzettel wird das als „Dix Danses Acoustiques“ apostrophiert, aber eine Beziehung auf den Barock lehnt der Autor der Stücke ab. Und so ist hier natürlich alles ganz anders. Da stoppelt man auch mal im 7/4-Takt.
Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt. Fast durchweg sind die Kompositionen nach dem beliebten Prinzip „Ich baue mir eine Stadt“ angelegt wie man sie aus der repetitiven Musik her kennt. Es werden Stück für Stück die Zeiteinheiten aufgefüllt – oder geleert. Es werden immer wieder mal verschiedene Schleifen nacheinander übereinandergelegt und manchmal verschoben, so dass Irritationen entstehen. Das ist der Kern der musikalischen Matrix hier.
Drumset-Set-Spiel wie in der „Pavane“ irritiert in seiner Konventionalität. Anderes wirkt wie ein angerüpeltes Stück von Steve Reich, wenn es durch eine Nyman-Walze geschoben wird. Das ist nicht ohne Vergnügen wie in der „Gaillarde“ oder dem „Marche“.
Aber man lasse sich nicht täuschen. Im Beipackzettel sieht es Rolf Jäger anders (als wäre es ein Text von mir):
„Musical Matrix, satt und filigran, verdankt seine Homogenität nicht zuletzt seiner Widersprüchlichkeit, der sozusagen öffentlichen Auflösung scheinbarer Unvereinbarkeiten. Neuartig und gleichzeitig vertraut, wächst die Musik mit jedem Hören, verstoffwechselt weitab von Beliebigkeit und Genre-Verschubladung unterschiedlichste Impulse: Filmscores, die Wiederholsamkeit von Krautrock und elektronischer Musik (ohne die Geräte). This is Pop!, wenn Anmutungen zwischen Bacharach und Radiohead bruchlos mit Satie’scher Minimalistik verlötet scheinen. You name it. Eine geometrische, gelenkige Anmut entsteht, helle Klangfarben, Schattenrisse, Stop/Motion-Momente, Prosa, Lyrisches. Groove! Dass Namen klassischer europäischer Tänze als Songtitel dienen, ist kein Verweis auf das Barock, sondern eine ‚formale Klammer‘ (Beigang).“
Leider klammert sich die Musik für meinen Geschmack etwas zu unnachgiebig an ihre Hörerinnen und Hörer. Schade.
Martell Beigang: musical matrix [2022]
- Nina Leonards – Geige
- Naomi Binder – Bratsche
- Stefan Rey – Kontrabass
- Markus Segschneider – Gitarre
- Stefan Heidtmann – Piano
- Martell Beigang – Schlagzeug, Perkussion, Klavier, Stimme
- Kristina Kruttke – Stimme
Rent a dog, rad 2022-2
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