Was wäre die deutschsprachige Dichtkunst ohne Martin Opitz (1697–1639)? Als zur Zeit des 30-jährigen Kriegs in der Mitte Europas die Städte brannten, Felder und Ställe geplündert wurden, entdeckte er die poetische Strahlkraft der eigenen Sprache. Für Komponisten wie den jung verstorbenen Nürnberger Johann Erasmus Kindermann eröffnete sie aber vollkommen neue Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks. Die 27, immer mit einer knappen instrumentalen Einleitung versehenen Lieder seines Opitianischen Orpheus (1642) legen davon beredtes Zeugnis ab.
Jan Kobow ist mit seinen sorgsam deutenden, mitunter fast im Stil eines modernen Liedermachers erzählenden Tenor eine Idealbesetzung, dem der Sopran von Ina Siedlacek als eine unschuldig klingende Stimme zur Seite steht. Doch während die Vokalstimmen wundervoll direkt eingefangen wurden, bleiben die Violinen wie auch Teile des Continuos seltsam unpräsent. Dennoch: Diese Produktion ist nicht nur hörenswert, sondern regt mit den leider längst aus dem Lesekanon gefallenen Texten in der Hand auch zum Nachdenken an.
Johann Erasmus Kindermann. Opitianischer Orpheus
Ina Siedlacek (Sopran), Jan Kobow (Tenor), United Continuo Ensemble
cpo 555 123-2 (2016)
- Arne: The Judgement of Paris – The Brook Street Band / Andrews
- Jommelli: Requiem & Miserere – il gardellino / van Heyghen
- Couperin: Concerts Royaux – Les talens lyriques / Rousset
- Geminiani: Quinta essentia – Concerto Köln
- Johann Bernhard Bach: Orchestral Suites – Thüringer Bach Collegium
- Kindermann: Opitianischer Orpheus – Siedlacek / Kobow / United Continuo Ensemble