21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Peter Tchaikovsky: Symphony No. 6 „Pathétique“ – Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko

Peter Tchaikovsky: Symphony No. 6 „Pathétique“ – Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko

Mit einem neuen Chefdirigenten ist es wie mit einem neu verpflichteten Trainer einer international erfolgreichen Mannschaft: Man weiß mit stolz geschwellter Brust, dass man zur Spitze gehört und gehören wird. Das erste, spielerisch gewonnene Match wird rasch als Vorgeschmack auf künftige große Erfolge gedeutet. So auch in der noch jungen Ehe zwischen den Berliner Philharmonikern und Kirill Petrenko, noch dazu in einem Vorwort des Orchestervorstands. Freilich: In Berlin wählen sich die Musiker ihren Chef selbst. Doch war wenigstens für einen Moment auch außerhalb ein Hype zu verspüren, ausgelöst durch das Konzert vom 22./23. März 2017 und den nun vorliegenden Mitschnitt mit Tschaikowskys letzter Sinfonie.

Was zu hören ist, lässt tatsächlich ein Bedürfnis nach Veränderung in Programmatik und Ton erkennen, ohne dass mit dem Start schon die gemeinsame Reiseroute festgelegt wäre. Was aber verblüfft, ist die Klarheit der einzelnen Gruppen, die Ausgewogenheit in der Disposition, der in einem nicht enden wollenden Strom fließende Verlauf, die satte Klanglichkeit und hörbare Freude am Musizieren. Dennoch fehlt mir (noch) etwas Wärme und das mehr in der Tiefe zu suchende Etwas, dass nicht nur aufhorchen lässt, sondern auch einnimmt, bewegt, mitreißt. Beckmesserei? Vielleicht. Viele Aufnahmen erreichen gar nicht erst das hier präsentierte technische wie interpretatorische Niveau. Doch wer sich schon jetzt verbal weit aus dem Fenster lehnt (auch mit einem Essay zur Interpretation: Wofür es keine Worte gibt), darf auch daran gemessen werden.

Übrigens werden in der gesamten Produktion weder Tonart noch Opus-Nummer der Komposition genannt.


Peter Tchaikovsky: Symphony No. 6 „Pathétique“
Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko
Berlin Phil Media BPHR 190261 (2017)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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