Das Label «Neue Meister» gilt ja als einer der zentralen Sammelorte für ein Genre, dem man den Decknamen «Neoklassik» verpasst hat. «The label is dedicated to today’s generation of young composers. These new masters (‚Neue Meister‘) combine the classical tradition with new and up-to-the-minute musical influences.» Das Phänomen ist an sich sehr interessant. Denn es vollzieht auf diese Weise etwas, was die ganze Seite passiert, wenn man den Fortgang der europäischen, okzidentalen Musikkultur der letzten 300 Jahre verfolgt: Die Schubladen befüllen sich selbst, sobald in ihnen eine Identifikationsmöglichkeit sich abzeichnet. Man weiß, wovon man redet. Oder glaubt es zumindest. Wie in einem Kosmos mit Zentralgestirnen ziehen da die musikalischen Produkte durch das «System». Mal eiert es bei den Umlaufbahnen, mal sind ist die tonale Achse gekippt, mal ist der Klangplanet ein Haufen heißer Luft, hochverdichtet, mal ist die musikalische Substanz reichhaltiger an Elementen.
Ferdinand Kavall spielt hier Gitarre, in den einzelnen Stücken jeweils ein zentrales musikalisches Problem oder Phänomen aufnehmend. Sie heißen «Flageolets», «Chordal», «Pulsing» – und das immer ganz gemütlich. Der Gitarrist sitzt inmitten einer Wabe aus sechs Lautsprechern. Heraus kommt eine Grundstimmung, die man wegen ihrer minimalen Verarbeitungsdichte und -geschwindigkeit als meditativ bezeichnen könnte. «The compositions are informed by embodied sensations of listening, like circulating textures or musical pulsing, and by a poetic minimalism of being closely inside the spatially distributed chord voicings and slowly travelling melodies.»
Am Ende muss jede und jeder für sich entscheiden, ob ihm das «zu wenig» reich genug ist, oder ob sie oder er sich lieber mit anderer Musik die Zeit teilen möchte. Ich finde, diese Musik hat ihren Charme. Aber sie ist auch gleichzeitig viel zu ernst für doch viel Banales, was sich hier musikalisch ergibt. Hinter jeder Phrase wartet nach dem Harmoniewechel die nächste, formal gleichbedeutende.
Ja. Dann.
Ferdinand Kavall – Inmitten [2024]
- Ferdinand Kavall – spatialgitarre
Neue Meister (VÖ: 11.10.2024)