12. September 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bruckner 7 / Markus Poschner

Bruckner 7 / Markus Poschner
Bruckner 7 / Markus Poschner
Nach nur sieben Jahren hat Markus Poschner das Ziel erreicht: Mit gleich zwei Orchestern wurden nicht nur Bruckners insgesamt 11 Sinfonien eingespielt (einschließlich der Studiensinfonie f-Moll und der «Nullten»), sondern auch alle in der Neuen Bruckner-Ausgabe edierten Fassungen. So sind es dann in der zusammenfassenden Box 18 CDs geworden. Zu den letzten Meilensteinen des Projekts gehört die Einspielung der Nr. 7 – einer Sinfonie, die (vergleichbar den Nummern 5 und 6) zwar Revisionen, aber keine größeren Fassungsprobleme aufweist. Diesmal ist es das ORF-Sinfonieorchester, mit dem Poschner die Partitur auf beeindruckende Weise frisch interpretiert (und nicht etwa umkrempelt). Was an der Deutung (wie auch dem ganzen Zyklus, an dem ferner das Bruckner Orchester Linz maßgeblich beteiligt war) fasziniert, ist die Leichtigkeit, mit der der Verlauf aller Sätze gestaltet wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Bruckner behält auch hier seine berückende Erhabenheit im Ton, erfährt aber eine geradezu musikantische Frischzellenkur, bei der viel Staub weggewischt und noch mehr Hör-Verkrustungen aufgebrochen werden. In der Sinfonie Nr. 7 gilt das vor allem für die ersten beiden Sätze – von den aus den Tiefen der Erde aufsteigenden Violoncelli bis zum dunkel raunenden Trauermarsch. Poschner aber verliert bei aller Ernsthaftigkeit des Ausdrucks nie den Fluss des Satzes aus den Augen, lässt immer auf das Ende eines melodischen Bogens oder einer Phrase hin spielen und das tiefe Blech suchend grummeln. So gewinnt Bruckners musikalische Sprache einen zutiefst romantischen Ausdruck und wirkt nicht mehr allein wie erratisch vom Himmel gefallen; der Komponist selbst erscheint gar weitaus menschlicher als gewöhnlich. – Redaktionell hat man im Booklet bei der Auflistung der Produktionen etwas die Übersicht verloren: In der Tabelle (S. 18f.) wird diese Einspielung der Nr. 7 dem Bruckner Orchester Linz zugeschrieben. Auch die deutsche Übersetzung der Bildunterschrift eines Faksimiles des zweiten Satzes (S. 16f. mit Bl. 43r) ist nicht korrekt: Aus «with the percussion insert» wird «mit dem [!] Schlagzeug Überklebung», wobei es sich richtigerweise nur um eine einseitig angeklebte Ergänzung handelt (vgl. das Faksimile auf IMSLP).

Anton Bruckner. Sinfonie Nr. 7 E-Dur
ORF Vienna Radio Symphony Orchestra, Markus Poschner

Capriccio C 8091 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #126 – Bruckner 200