Vor 15 oder 20 Jahren war der Name des einst so bekannten Komponisten Bernhard Sekles (1872–1934) nur noch jenen vertraut, die sich mit Hindemith, Adorno oder Rudi Stephan beschäftigten. Als deren pädagogisch fortschrittlicher Lehrer am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurter am Main, der die junge Generation nicht gängelte, sondern im eigenständigen Suchen kritisch begleitete, hat er später – als Direktor dieser Institution – mit der Einführung einer zur damaligen Zeit für viele undenkbaren Jazz-Klasse Geschichte geschrieben (1928). Um seine eigenen Kompositionen ist es indes erstaunlich still geblieben – eigentlich sogar bis heute. Dabei kann seine einzige Oper Scharahzade (Uraufführung in Mannheim 1917) noch heute verblüffen. (Mehr als zehn Jahre sind nun schon seit der gelungenen Neuinszenierung an der Oper Halle/Saale vergangen).
Man sollte daher jede Produktion mit Werken von Sekles mit Freude erwarten – die hier vorliegende mit den Liedern aus dem Schi-King op. 15 und zwei Sammlungen von Klavierstücken (op. 34 und op. 42) entstand im Umkreis der Aktivitäten zum 150. Geburtstag im Jahre 2022. Zwar handelt es sich um eine Doppel-CD, doch die Gesamtspielzeit macht deutlich, dass man ursprünglich anders disponiert hatte: Liederzyklus und Klavierstücke ergeben ziemlich genau 84 Minuten – etwas zu lang für nur eine Scheibe… Die Lieder (dem Text liegt eine Übertragung von Friedrich Rückert zugrunde) stammen aus dem Jahr 1907, die hochinteressanten Fantasietten op. 42 gehören hingegen zu Sekles letzten Werken; er wurde bereits 1933 wegen seines jüdischen Glaubens entlassen und starb, gesundheitlich schwer angeschlagen; Ende des darauffolgenden Jahres. Vor allem die Lieder fordern in der Gesangspartie («hohe Stimme») der Sängerin einiges ab. Und so muss man sich auch bei Tehila Nini Goldstein und ihrem Sopran ein wenig einhören, um der Textverständlichkeit näher zu kommen. Trotz der engagierten Interpretation hätte ich mir gerade in dieser Gattung weniger Vibrato und eine natürlichere Konsonantenbildung gewünscht. Auch Jascha Nemtsov am Klavier scheint davon als Begleiter beeinflusst, denn die Solo-Klavierstücke atmen deutlich mehr Freiheit in der Gestaltung. Das Booklet bietet einen interessanten Essay und alle Gesangstexte.
Bernhard Sekles. 18 Lieder aus dem Schi-King op. 15; Fantasietten (23 kleine Stücke) op. 42; Suite Nr. 1 op. 34 für Klavier
Tehila Nini Goldstein (Sopran), Jascha Nemtsov (Klavier)
hänssler classic HC 22008 (2021)