Was für eine schöne Idee, die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau auf das Cover zu setzen und mit jeder übernächsten Doppelseite durch einen markanten Pinselstrich neu zu mischen. Ähnlich ist es im Streichtrio mit der Besetzung Violine, Viola und Violoncello, die sehr offen klingt – keine vierte oder fünfte Stimme füllt oder verstärkt. Wirklich alles in der Faktur muss genau erwogen sein und ausgewogen werden, auch wenn sich (gleich dem Streichquartett oder Klaviertrio) ständig neue Konstellationen ergeben können. So auch bei José Castel (1737–1807) und seinen um 1785 in Paris gedruckten sechs Trios, die nicht ohne Boccherini zu denken sind und von denen sich nur ein einziges Druckexemplar erhalten hat.
Glücklicherweise, möchte ich sagen. Denn die Musik unterhält nicht nur bestens auf schönem Niveau, sondern gewährt auch einen Einblick in die spanische Musikproduktion des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die mehr zu bieten hat als nur «Boccherini» – auch wenn seine Werke hier wie eine Blaupause durchscheinen. Castel selbst war ein vielseitiger Meister, komponierte in Madrid für die Bühne, nach seiner Anstellung als Kapellmeister an der Stiftskirche von Tudela aber auch Kirchenmusik. Seine Kammermusik bildet eine Ausnahme. Um einen umfassenden Eindruck zu gewinnen, wären daher auch die anderen Gattungen zu prüfen. Jedenfalls pflegte Castel kammermusikalisch einen italienisch-spanischen Tonfall, der auch von dem in diesem Fall sehr klein besetzen Ensemble 1700 in adäquater Weise in historischer Aufführungspraxis und auf Darmseiten realisiert wird. Eine gefällige, unspektakuläre Aufnahme, die den Blick wirklich weitet.
José Castel. Sechs Streichtrios
Concerto 1700
Concerto 1700 170005 (2021)