Es war die Zeit, in der die ersten Formen einer eigenständigen Instrumentalmusik entstanden, sich im Gebrauch verstetigten und rasch entwickelten. Als Mitte des 16. Jahrhunderts Intavolierungen von Motetten, Madrigalen und Chansons kaum mehr ausreichten, die Bedürfnisse der Stadtpfeifereien, aber auch der städtischen Eliten zu befriedigen, kamen stilisierte Tanzsätze, abwechslungsreich gestaltete Variationen oder auch Stücke über einen ostinaten Bass in Mode. Freilich geben die meist in Sammeldrucken überlieferten Sätze nur das notierte Gerüst einer viel bunteren Aufführungspraxis wieder – sowohl im Zentrum Europas wie auch in Spanien, von wo in dieser Produktion der Wind weht.
Kurzweiligkeit prägt daher dieses vorzügliche Album, das die einzelnen Nummern nicht bloß aneinanderreiht, sondern auch in Beziehung zueinander setzt. Es zeigt, wie sehr in jener Zeit bereits spanische Rhythmen und Modelle in ganz Europa präsent waren und rezipiert wurden. So steht neben einer Pavana von Antonio de Cabezón eine Galliarda Spagnoletta von Samuel Scheidt, neben mehreren Ricercaren von Diego Ortiz wiederum eine Pavana von Jan Pieterszoon Sweelinck, überliefert in der Düben-Sammlung. Die sechs Musiker:innen des Ensembles Concierto Iberico wissen genau den «Ton» der Werke zu treffen, den musikalischen Satz lebendig werden zu lassen, spielerisch (im besten Sinne des Wortes) zu agieren – mit immer wieder neuen, farbigen Formationen aus Zink, Cornetto und Blöckflöte, Posaune, Dulzian, Spanischer Gitarre, Orgel und wechselnder Perkussion.
Españoletas. Spanischer Wind
Mit Werken von Antonio de Cabezón, Samuel Scheidt, Hernando de Cabezón, Gaspar Sanz, Bartolomeo de Selma y Salaverde, Jan Pieterszoon Sweelinck, Antonio Valente, Diego Ortiz, Andrea Falconiero, Antonio Martin y Coll, Francisco Correa de Arrauxo, Tielman Susato, Michael Praetorius
Concierto Iberico
Perfect Noise PN 2204 (2022)