Noch immer fällt es schwer, den zeitlich nicht ganz eindeutig zu bestimmenden Übergang vom musikalischen Barock zur Klassik zu beschreiben. Sind Kompositionen dieser Zeit «galant» im Sinne des Rokoko zu nennen, oder doch mit Blick auf Zukünftiges schon eher als «vorklassisch» einzuordnen? Was ist mit der «Empfindsamkeit» oder dem «Sturm und Drang»?
Ganz offensichtlich waren zeitgleich verschiedene Strömungen unterwegs – und zwar je nach Region und Nation. Allein schon die Bach-Söhne zeigen mit ihren stilistischen Eigenarten in vier verschiedene Himmelsrichtungen. Im eleganteren Frankreich war die Situation (wenn auch auf die Metropole Paris fokussiert) alles andere als einheitlich. Schon früh findet man Fortschrittliches für morgen neben Späterem aus dem traditionellen Gestern. Die Gretchen-Frage: «Wie hältst Du’s mit dem Generalbass, sprich?» scheint mir indes falsch gestellt. Es ist eher nach der Gesamtheit der musikalischen Aspekte Ausschau zu halten, die sich – wie auch am Übergang zwischen anderen Stilepochen – nicht immer parallel entwickelten. Eine eindeutige Grenze gab und gibt es selten, weit eher sieht man fließende Übergänge voll neuer Möglichkeiten.
Dazu zählen auch die auf diesem Doppelalbum eingespielten sechs Flötenquartette op. 12 (1743) von Louis-Gabriel Guillemain (1705–1770) für Traversflöte, Violine, Viola da gamba und B.c., die im Erstdruck einen bedeutend längeren und damit genaueren Titel tragen: Six Sonates en Quatuors Ou Conversations Galantes et amusantes entre une Flûte Traviersiere, un Violon, une Basse de Viole la Basse Continüe. Durchgehend dreisätzig angelegt, konzertieren meist tatsächlich Flöte und Violine, doch schaltet sich klanglich auch die Gambe mit ein. Zu dem gelösten, tatsächlich heiteren Tonfall will es gar nicht passen, dass Guillemain persönlich ein trauriges Ende nahm. Einhören muss man sich dennoch – und zwar akustisch. Diese am Hofe wie im Salon mit Sicherheit kammermusikalisch gespielten Werke (auf die explizit kleine Besetzung weist auch eine Vorrede des alten Drucks hin) erklingen hier mit dem sehr weit reichenden Hall einer Kirche; zwar ausgeglichen, aber noch lange nicht so, wie diese Musik einst gedacht war. Das ist zu bedauern, denn die sehr differenzierte Tongebung und Artikulation von Wilbert Hazelzet, der zum «Urgestein» der historisch informierten Aufführungspraxis zählt, und dem Ensemble Fantasticus wird dadurch unnötig vernebelt. Ob sich so für dieses Repertoire eine Lanze brechen lässt?
Louis-Gabriel Guillemain: Flötenquartette op. 12
Wilbert Hazelzet (Traversflöte), Ensemble Fantasticusresonus RES 10222 (2017)