28. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Crossroads / American Violin Sonatas

Crossroads / American Violin Sonatas
Crossroads / American Violin Sonatas

Ein wenig musste ich dann doch schmunzeln. Natürlich kann man solch ein hübsches Album mit drei Violinsonaten aus den Vereinigten Staaten unter ein Motto stellen. Auch die «Crossroads» sind hier im musikalisch Sinne in gewisser Weise akzeptabel. Aber warum nur muss Mark DeVoto im Booklet über die mehr oder weniger fortgeschrittenen Lebensreisen der Komponisten und Interpreten gefällig schwadronieren, um endlich zu dem Schluss zu kommen: «Auf diesem Album kreuzen sich all diese Wege.» Hm, nun ja, kreuzen sich nicht auf jedem Album dieser Welt irgendwelche Wege?

Kreuzungen lassen sich jedenfalls in den drei Kompositionen ausmachen. Freilich nicht direkt im Sinne einer Symbiose oder einer wirklichen Überkreuzung eigenständiger gerader Wege, sondern eher im Sinne einer Kreuzung mit (Augen auf!) abknickender Vorfahrtsstraße, in deren Zuge die drei eingespielten Komponisten und ihre Werke definitiv der Hauptstraße folgen und dabei auch das Setzen des Blinkers nicht vergessen haben. Angesichts eines so romantischen Einschlags wie bei der 2011 entstandenen Sonate von André Previn (1929–2019) fällt die Kategorisierung als «Neue Musik» nicht leicht. Andererseits kommt hier weitaus mehr Gewicht auf die Saiten als bei den Machwerken des «Easy Listening»; ein Werk, das man wohl eher als Summe der gesammelten Erfahrungen hören muss und dann partiell wie ein nachsinnendes Abendlied erscheint. Mehr an echtem rhythm und blue notes bietet Tony Schemmer (geb. 1946) in seiner atmosphärischen, gut gearbeiteten, kurzweiligen und keineswegs anbiedernden Sonate – auch wenn diese (mit Ausnahme des langsamen Satzes) ihre traditionellen Wurzeln in keinem Takt verleugnet. Einen eigenen Stilmix zeigt auch die nun schon fast 40 Jahre alte Sonate von Paul Gay (geb. 1936), die sympathisch und ganz ungezwungen Anleihen in allen Epochen und Stilen nimmt – und vielleicht gerade in dieser spielerischen Ehrlichkeit überzeugt. Etwas für all jene, die nach gangbaren Repertoire-Erweiterungen suchen – definitiv. Und die Interpreten? Sie haben sich bestens auf diese «Reise» eingestimmt. Aleksey Semenenko versteht es, auf der Stradivari wie auf der Landolfi den richtigen Ton für diese Werke anzustimmen: nicht zu fett, nicht allzu improvisiert, aber auch ohne falsche Lyrismen. Er überzeugt durch ernsthafte Präzision und das Hineinhorchen in die Linien. Mit Artem Belogurov steht ihm ein eigenständig gestaltender Begleiter zur Seite.

Crossroads. American Violin Sonatas
André Previn. Sonata No. 2 for Violin and Piano (2011); Tony Schemmer. Sonata for Violin and Piano (1981/2011); Paul Gay. Sonata for Violin and Piano (1984)
Aleksey Semenenko (Violine), Artem Belogurov (Klavier)

BIS-2545 (2018), SACD

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